zur Erinnerung
30 Jahre Deutsche Einheit, Zeit für eine Zwischenbilanz

Nachgefragt

So sehe ich das!

Anke Sommer, 79, aus Wolfen (Sachsen-Anhalt)

Welche Begriffe verbinden Sie mit der DDR?
Ein wunderbares, nachbarschaftliches Miteinander, gute Schulbildung, kostenlose Vereine, in denen jeder seinem Hobby nachgehen konnte.

Was hat Ihr Leben bis 1989 geprägt?
Eine sehr schöne Kindheit und Jugend. Eine Mutter, die meine Zwillingsschwester, meinen Bruder und mich mit viel Liebe zu hilfsbereiten, höflichen Menschen erzogen hat.

Wie verbrachten Sie Ihre Freizeit?
Meine Zwillingsschwester Jutta war 30 Jahre Veranstaltungsleiterin im Klubhaus "Theater der Werktätigen" in Wolfen. Dort erlebte ich wunderbare Veranstaltungen mit vielen Künstlern.

Welchen Beruf haben Sie gelernt?
Ich war Industriekauffrau und mit Leib und Seele in der Grundmittelabrechnung der Filmfabrik Wolfen tätig.

Wovon träum(t)en Sie?
Dass Tiere nicht mehr als Sache betrachtet werden. Ich kenne keinen Tierquäler, der eine gerechte Strafe bekommen hat. Ich weiß aber auch, dass das leider ein Traum bleiben wird.

Wo waren Sie, als Sie vom Mauerfall erfuhren?
Ich habe es vor dem Fernseher mitbekommen.

Welche Meinung hatten Sie zur Wiedervereinigung? Und welche haben Sie heute?
Es ist schön, dass es ein vereintes Deutschland gibt. Doch die Treuhand wickelte die DDR-Wirtschaft ab und die Politik, die oft von importierten West-Angestellten gestaltet wurde, verpasste es, auf Erfahrungen der DDR -Bürger einzugehen.

Wie ging es nach 1990 beruflich für Sie weiter?
Aus gesundheitlichen Gründen konnte ich leider ab 1988 nicht mehr arbeiten.

Was ist in den zurückliegenden 30 Jahren aus Ihrer Sicht gut, was schlecht gelaufen?
Uns wurde das bundesdeutsche System übergestülpt. Erst in letzter Zeit greift man auf Erfahrungen der DDR zurück, bei der Bildung und in Sachen Gesundheitsversorgung etwa. Dass es nach 30 Jahren noch Lohn- und Rentenunter schiede gibt, ist nicht nachvollziehbar.

Hätten Sie gern etwas anders gemacht?
Ich glaube, ich würde genau noch einmal diesen Lebensweg gehen. Bis zum Tod meiner Zwillingsschwester 2016, mit der ich 76 Jahre zusammenlebte, führte ich ein glückliches Leben.

Welchem Ostprodukt sind Sie treu geblieben?
Ich benutze seit über 60 Jahren Produkte von Wofacutan und widerstand westlicher Werbung.

Wen und was hätten Sie ohne Wende nie kennengelernt?
Nach der Wende habe ich mich mit Computern beschäftigt, es wurde mein Hobby. Ohne Wende hätte ich mich auf dem Feld nicht austoben können. Freunde fragen mich bei Problemen. Ich bin seit Jahren Administratorin der Kofferradio -Facebook-Fanseite. Darüber lernte ich Moderator Siggi Trzoß (Ost) und Arrangeur Fritz Schwarzer (West) kennen. Wir tauschen uns täglich aus. Schwarzer lernte durch mich die ostdeutsche Mentaliät kennen, ich die westdeutsche. Wir haben denselben Humor, das ist schon viel wert.

Was wünschen Sie sich?
Dass Corona endlich vorbeigeht. Ich habe lange Monate ohne echte menschliche Nähe hinter mir. Da ich chronisch krank bin, muss ich so vorsichtig sein.


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 22.01.2023 - 11:08